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Die Verwunderung über den ehrlichen Bettler

Die Verwunderung über den ehrlichen Bettler

Diese Geschichte ist ein absolutes Paradebeispiel für die Frage „wie widerwärtig verkommen ist unsere Gesellschaft eigentlich inzwischen?“.

Für alle, die’s nicht mitbekommen haben, hier die Kurzversion: eine Frau nimmt ausnahmsweise wegen einer Hautreizung einen wertvollen Diamantring vom Finger und verstaut ihn im Portemonnaie. Später leert sie das Münzfach desselben komplett in den Becher eines Obdachlosen. Weil sie ihren Ring sonst nie dort lagert, fällt ihr der Verlust nicht sofort auf. Erst später bemerkt sie ihren Fehler und beginnt am darauffolgenden Tag, nach dem Obdachlosen zu suchen. Sie findet ihn zwei Tage später und spricht ihn auf den Ring an. Dieser hat den Ring bemerkt und ihn aufgehoben. Er gibt ihn der überglücklichen Frau zurück. Darauf angesprochen sagt er – wie kolportiert wird – später, er habe schließlich kein Interesse an einem Diamantring. Und dass er gar nicht auf die Idee gekommen sei, ihn zu versilbern.

Und jetzt vergeht die westliche Medienwelt mit lauten Rufen der Verzückung vor Bewunderung und Anerkennung ob dieser verblüffenden Ehrlichkeit eines Mannes, der nichts mehr zu haben scheint.
Ja. Der Schein trügt.
Denn dieser Mann, der ganz offensichtlich abseits der Gesellschaft steht – einer Gesellschaft, die für den Erfolg des Einzelnen Habgier, Betrug und Unehrlichkeit fördert und honoriert – hat sich etwas sehr menschliches bewahren können – und besitzt somit etwas unvergleichlich wertvolles, was die allermeisten längst verloren haben: Aufrichtigkeit und Anstand. Das Verhalten dieses Mannes würde ich nach meinem ganz persönlichen Verständnis vom Miteinander unter den Menschen als absolut selbstverständlich betrachten und erwarten. Und dass die Medien jetzt so abfahren auf diesen sonderbaren Mann, der solch eine sonderbare, verwundernde Eigenschaft zeigt, beweist den Grad der Abartigkeit unserer sozialen Struktur. Denn in Zeiten von Kapitalismus, der Öffnung aller Bereiche unseres Lebens gegenüber skrupellosen, gewinnorientierten Märkten und der fast extremistischen, neoliberalen Grundideologie des absoluten Egoismus fallen Anstand und Ehrlichkeit auf fast kreischende Weise auf.
Der Zustand unserer Gesellschaft ist traurig. Und es läuft – mal wieder – auf Gerechtigkeit und Partizipation hinaus.

Was würde ein FDP-Politiker sagen, wenn er die Geschichte des ehrlichen Obdachlosen hört? „Versager“. No comment!

KTHXBYE

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